MINOR(S’) HERITAGE: BUILT SWISS CHILD AID IN GREECE, 1944–1956
Doktorandin: Maria Kouvari
Zweitbetreuung: Prof. Dr. Tom Avermaete, Professur für Geschichte und Theorie des Städtebaus, ETH Zürich
Diese Forschungsarbeit untersucht die bauliche Umgebung für Kinder, die aufgrund von Krieg, Armut, Diskriminierung, Behinderung und Verlust des Familienkreises ohne Eltern leben. Dabei werden internationale und nationale Kinderbetreuungsprojekte der Schweiz in der Nachkriegszeit untersucht. Nach dem Zweiten Weltkrieg bauten schweizerische und in der Schweiz ansässige Hilfswerke wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, das Schweizer Hilfswerk, das Schweizerische Rote Kreuz und die Stiftung Kinderdorf Pestalozzi internationale Netzwerke für die Kinderfürsorge auf und verbreiteten Konzepte, Gestaltungsansätze, Experten und Materialien in kriegszerstörten Ländern, darunter Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien und Griechenland. Der Schweizer Kinderhilfseinsatz in Griechenland dient als Fallbeispiel für die vertiefte Untersuchung von Schweizer Projekten ausserhalb der Schweiz und deren Verflechtungen und Auswirkungen im nationalen Kontext. Parallel zu den internationalen Schweizer Projekten gab es in der Schweiz Hunderte von Kindereinrichtungen wie Waisenhäuser, Jugenderziehungsheime, Kinderdörfer und Internate. Die meisten von ihnen waren in Gebäuden untergebracht, die vor dem Zweiten Weltkrieg errichtet worden waren, aber auch in neu gebauten Umgebungen, darunter Werke bekannter Architekten wie Hans Fischli, Hans und Annemarie Hubacher und Jacob Frei. Das Ziel dieser Untersuchung ist ein zweifaches: erstens, die gebaute Umgebung von Kinderheimen in der Nachkriegszeit in der Schweiz und darüber hinaus durch eine transnationale Linse zu dokumentieren und zu analysieren, und zweitens, ihren heutigen Wert in Bezug auf ihre architektonische Bedeutung, ihre Sozialgeschichte und ihren Erinnerungsdiskurs neu zu betrachten. Die Forschung stellt die folgenden Fragen: Wie haben sich internationale und nationale Kinderheimprojekte in der Schweiz in Bezug auf die Kinderfürsorgepolitik und ihre architektonisch-räumliche Umsetzung gegenseitig beeinflusst, wie wurden die Kinderheimprojekte im Laufe der Zeit in ihren nationalen Kontexten angeeignet, transformiert und bewertet, und für wen und warum ist das Erbe dieser Kinderheime relevant. Die Methodik kombiniert Recherchen in Archiven internationaler und lokaler Organisationen, in architektonischen Archiven und Nachlässen von Akteuren, Besuche vor Ort zur Inspektion und Untersuchung der baulichen Artefakte und die Diskussion mündlicher Zeugnisse. Dieses Projekt betrachtet Heimkinder als eine unterrepräsentierte bzw. übersehene Gruppe und versucht, ihr bauliches Erbe zu identifizieren, das noch weitgehend unzureichend erforscht ist, und trägt so zu den aktuellen Debatten in den Bereichen Architekturgeschichte und Denkmalschutz bei.
Die Forschung ist Teil des Projekts „A Future for Whose Past: Das Erbe von Minderheiten, Randgruppen und Menschen ohne Lobby“ an der Professur für Baukultur und Denkmalpflege der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit ICOMOS Suisse und wird von der Money Follows Researcher Initiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Foundation for Education and European Culture, Athen, und der Sophie Afenduli Foundation, UNIL, Lausanne, mitfinanziert.